Ueber die Wupper by Edgar Noske

Ueber die Wupper by Edgar Noske

Autor:Edgar Noske [Noske, Edgar]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: eBookCreatorNet
veröffentlicht: 2010-01-01T21:00:01+00:00


18

»Jugend- und Familiencampingplatz II« stand auf dem Schild. Margit parkte die Ente am Straßenrand, gegenüber der Zufahrt. Alle vier stiegen aus. Die Sonne brüllte vom Himmel.

Gegenläufige Menschenströme, kanalisiert vom Hauptdurchgangsweg. Der eine Strom wogte bergab, wo die Mittagssonne die Bever wie ein Quecksilbersüppchen in der Terrine schimmern ließ. Der andere Strom, der seine Tagesration Kolibakterien bereits intus hatte, schob sich bergauf. Mütter mit Zellulitis, bepackt mit Kühlbox und geflochtener Badetasche. Quengelnde Kleinkinder im Dino-Schwimmreifen. Rotgesichtige Väter mit Baseballkappe und in unbeschreiblich gemusterten Shorts, über denen schwere Bierbäuche brüteten. Zehnjährige, die mit gelben Wasserkanonen herumspritzten und sich dafür Ohrfeigen fingen. Wer nicht unterwegs war, grillte.

»Wie heißt die Tante?« fragte Max.

Synchrone Mimik bei Christine und Sonja. Sie wußten es nicht.

»Das kann ja heiter werden«, sagte Max. »Wißt ihr wenigstens, wie Henning mit Nachnamen heißt?«

»Pryzbilla«, sagten die Mädchen gleichzeitig.

»Wie?«

»P-r-y-z-b-i-l-l-a«, buchstabierte Christine.

In der winzigen Holzbude neben der hochgeklappten Schranke saß ein kahlköpfiger Mann mit Segelohren und schwitzte fürchterlich. In seinem Mundwinkel klebte ein erkalteter Stumpen.

Max schob seine Sonnenbrille auf die Stirn. »Ganz nett warm heute, was?«

»Grausam«, keuchte der Mann.

»Ich suche den Stellplatz der Pryzbillas«, sagte Max.

»Dauercamper?« Der Mann griff nach einer speckigen Liste.

Max bestätigte. Ein Zeigefinger wanderte die Liste runter. Nur zwei fingen mit P an. Der eine hieß Plasberg, der andere Prescher.

»Was für 'n Wagen fahren denn die Leute?«

Max gab die Frage weiter. Christine sagte, einen kleinen Japanflitzer, Sonja meinte, der Wagen sei ein Opel und tierisch breit. Einig waren sie sich, daß er dunkelgrau oder dunkelblau war.

Der Mann verzog den Mund. »Nee. So einen gibt's hier nicht.«

»Vielleicht… «, hauchte Christine.

»Was?« fragte Max.

Zögernd und vorsichtig nahm sie etwas aus ihrer Handtasche. Flach, weiß und rechteckig. Wie ein Stück Karton.

»Ein Foto?« fragte Max. Christine wurde puterrot, senkte den Kopf und nickte.

Mit der gebotenen Behutsamkeit nahm Max ihr das Foto aus der Hand. Henning sah aus wie der junge Ilja Richter, nur die Nase war länger. Der Mann erkannte ihn sofort.

»Der Neffe von Hasenclevers Gertrud«, sagte er, und dann folgte die chaotischste Wegbeschreibung, die Max je gehört hatte. Nicht einmal bezüglich der Himmelsrichtung herrschte Klarheit.

Margit und Max gingen voran, die beiden Mädchen zottelten hinterher. Mit einem Werbeblättchen, das sie einem Ständer neben der Holzbude entnommen hatte, fächelte Margit sich Luft zu. Max zog die Lederjacke aus und trug sie am Zeigefinger über der Schulter. Eingekeilt im Strom derer, die dem Wasser zustrebten, brauchten sie fast fünf Minuten bis zum Ufer.

»Wir müssen nach links«, sagte Max.

»Würdest du drauf wetten?« fragte Margit.

Bevor er antworten konnte, rief Christine: »Henning, huhu!«

Max fuhr herum. Christine stand auf den Zehenspitzen und winkte in Richtung Bootssteg. Max kniff die Augen zusammen.

Ilja Richters Doppelgänger trug einen weiß-gelben Trainingsanzug und stand mit einer Plastiktüte in der Hand vor einem der Mülleimer, die am Anfang des Stegs aufgestellt waren. Keine dreißig Meter entfernt. Irritiert blickte er sich um, entdeckte Christine und machte einen Schritt in ihre Richtung.

»Henning!« Diesmal war es Sonja.

Jetzt zögerte Henning und blieb stehen. Als sich auch noch Max in Bewegung setzte und auf ihn zuging, war das zuviel. Henning machte einen Schritt rückwärts, drehte sich um und lief los.



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